Fingerprint Erased

Video
4'59''
2012

Demontage einer Spur

Ein Video aus Szenen, die während der Demontage gefilmt wurden, und zwei Behälter mit Tausenden gleich großen Stückchen Plastilin – das ist alles, was von Nita Tandons Fingerprint – Die Rückseite
der Vorderseite übrig geblieben ist. Handelt es sich bei Fingerprint um eine Performance, eine Installation, ein Objekt, ein Bild oder eine Skulptur? Die Uneinordenbarkeit ist kein Störfaktor, sondern im Gegenteil das Thema von Fingerprint, einem Spiel mit der Identität, für das ein überdimensionaler Fingerabdruck der Künstlerin das Motiv liefert.

Installiert wurde dieser Fingerabdruck, der einen verpixelten Scan in vier Graustufen darstellt, indem quadratische Plastilinteilchen von etwa acht mal acht Millimeter Größe mit dem Finger auf die Glasfront des Schauraumes der Universität für angewandte Kunst gedrückt wurden. Der Raum blieb während der Installation ungenutzt. Das Publikum, das ihn während der Eröffnung betreten konnte, hatte allerdings die Möglichkeit, dort die Rückseite von Fingerprint zu betrachten, die im Gegenteil zur zweidimensionalen Vorderseite dreidimensional ist; denn auch in dieser Hinsicht
entzieht sich Fingerprint der Festlegung. In der Folge war Fingerprint für mehrere Wochen ausgestellt, die zweidimensionale Darstellung auf der Glasscheibe des Schauraumes konnte von PassantInnen betrachtet werden. Oft ist aus geringer Ferne nicht mehr sichtbar, dass es sich bei dem verwendeten Material um Plastilin handelt. Schließlich wurde das Plastilin entfernt und die Glasscheibe gereinigt. Dass exakt dieser Vorgang der Demontage eines Kunstwerks, der bei Ausstellungen üblicherweise für nicht festhaltenswert erachtet wird, von Nita Tandon dokumentiert wurde, ist eine weitere Umkehrung, die den temporären Charakter von Fingerprint noch verstärkt.

Fingerprint entzieht uns die Begriffe für eine Beschreibung, oder Fingerprint zwingt uns, uns auf eine Definition festzulegen. In dieser Form gelingt es Nita Tandon, den Begriff der Identität nicht analytisch zu bearbeiten, sondern mit rein synthetischen Methoden ein Spiel mit Identität zu betreiben, von dem zuletzt nichts mehr übrig ist als die Erinnerung an eine Dokumentation der Demontage eines Fingerabdrucks.

Daniel Wisser, 2011