Air Craft

Das Ausgraben des Rasenbettes schafft Raum für eine luftgefüllte Fläche, deren gewellte, samtige Oberfläche einen Körper erahnen lässt. Ein Ausschnitt aus seiner riesigen, barocken Parkfläche hebt den Bildkörper aus seinem Schutz heraus und stellt ihn aus. Je nach Betrachtungspunkt und Distanz wird der einladende Körper dieses „Betts“ auf einen Strich reduziert oder zeigt fernab des schützenden Innenraums seine Nacktheit. Durch das Betreten von Air Craft wird der sichere Boden des Rasenbettes entzogen.

Within and Without

 

Exzerpt aus „As idle as a painted ship…“ von Edith Futscher im Katalog Dimensions of a Surface:

Räumlich angeordnet zu einem nach oben hin offenen Schacht und in weißem Resopal, Within and Without, mag der Eindruck eines abgesperrten Raumes, einer verunmöglichten Bewegung entstehen – als gälte es, noch die Existenz etwa eines Zimmers zu verbergen. Da wie dort aber haben wir den Innenraum, der unsere Neugier weckt, längst betreten: Denn dieser Raum ist gestülpt in den Innenraum als Außenraum, in dem wir uns befinden.

Automats

Die Umkehrung von Ebenen, der Aspektwechsel, das Erschaffen von Dingen, die zwei Sichtweisen erlauben, sind der Bereich, in dem sich Nita Tandons Arbeiten bewegen, egal, welchen Materials oder Mediums die Künstlerin sich bedient. Konsequent arbeitet Tandon nicht analytisch, indem sie den Blick nicht auf Themen oder Inhalte lenkt, sondern auf den Blick selbst, auf unsere Wahrnehmung.

Auch die Objekte der Serie Automats – die semantische Ambiguität des Titels ist bereits Teil ihrer Erscheinungsform – reihen sich in dieses Konzept ein. Es handelt sich um Betonabgüsse von
Automatten, jenen Gummiunterlagen, die wir während des Sitzens und Fahrens im Auto kaum zu Gesicht bekommen. Die Abgüsse sind die Negative dieser Matten, und sie hängen vor uns an der Wand. Alle Eindrücke einer Oberfläche, die wir sonst nicht erfühlen, spiegeln sich negativ im Betonabguss. Diese Abwesenheit einer haptischen Ebene wird durch das Visuelle ersetzt, das durch die Dreidimensionalität des sich anfangs als falsches Bild darstellenden Objekts eine Vorstellung davon zu geben vermag.

Zu Tandons frühen Werken gehören „Bilder“ (und ich versehe diesen Begriff hier bewusst mit Anführungszeichen), die Malerei und Betonelemente einsetzen, Scheinperspektiven zeigen und die Aporien der Frage, ob etwas zwei- oder dreidimensional sei, sinnlich erfahrbar machen. Das Paradoxon ist implizit in diesen Arbeiten vorhanden. Später weitet Tandon es allerdings konsequent aus, indem sie den Raum einbezieht. Die Reihe mit dem Titel Disclosure besteht aus Objekten, die wie Türen aussehen – oder Türen sind –, Scheintüren jedenfalls, denn sie sind ihrer Funktion beraubt, und sie fügen sich in den Raum, anstatt diesen wie üblich als Fremdkörper, den das Exponat darstellt, zu behaupten.

Automats ist ein weiterer Schritt in diese Richtung, denn die Objekte beinhalten das Element der Serialität. Tandon verwendet verschiedene Arten von Sand und multipliziert denselben Abguss mit verschiedenen Qualitäten. Auf diese Weise entsteht durch den Abdruck dieses Gegenstands, der das Triviale poetisch macht, eine Reihe, die das Prinzip sofort wieder ins Gegenteil verkehrt, indem sie das Poetische trivialisiert.

Daniel Wisser 2014

Departure of the fleet

Exzerpt aus dem Text:

AS IDLE AS A PAINTED SHIP …
Bewegung und deren Negation
bei Nita Tandon

von Edith Futscher aus dem Katalog Dimensions of the Surface

[…] in Departure of the Fleet (2006, S. 140/141), kommt Bewegung zu ihrem Recht, und es verwundert nicht, dass mit dem Verweis auf William Turners gleichnamiges spätes Gemälde  auch hier eine teils unheilvolle Bewegung angedeutet wird, denn der Aufbruch Aeneas’ aus Karthago – auch er eine Art Odysseus wie Coleridges Seemann – bedeutete zugleich Didos Ende. Während Turner mehr die Abschied nehmende Dido, die Hafenausfahrt und einen goldenen Himmel über der See in den Blick nimmt als die Flotte, zeigt uns Nita Tandon Schiffe. In einem kleinen Plexiglaskasten hat sie mit Blau überzogene Gläser positioniert, in denen sich Teelichter befinden. Das Blau der Gläser ist teils ausgespart, und diese Aussparungen haben die Form von Segelschiffen.
Im abgedunkelten Raum betrachtet, bringt das Kerzenlicht eine Bewegung, ein bewegtes Bild jenseits des Films hervor, ein Flackern und Schaukeln, am oberen Rand bilden sich schwer hängende ‚Wolken‘. Die Flotte kommt in Gang, wir sehen die Schiffchen hintereinander taumeln, die einen scharf gezeichnet, die anderen in Unschärfe verschwimmend. Es interessiert also die Suggestion eines Szenischen, die Atmosphäre, die Verteilung von Licht und Farbe, die transformierende Kraft des Feuers. Und es interessiert Nita Tandon die Art, wie Michel Serres Turner zu verstehen gibt, als Materialisten, als einen, der die Materie seiner Zeit, in der Dampfschiffe das Segelschiff hinter sich ließen, ins Bild rückte: „Turner oder die Einführung der entzündeten Materie in die Kultur.
Das erste wahrhafte Genie der Thermodynamik.“ 12 Dieses Feuer erfasst die Elemente, vor allem das Wasser als Gegenspieler, auch das Bild, es erfasst Zeichnung, Form, Darstellung – das Bild werde bei Turner selbst zum „Schmelzofen“. 13 Die Historie um Dido und Aeneas ist in Nita Tandons Departure of the Fleet verschwunden – und wohl auch das Verstehen des Segelschiffes als Signum einer bereits vergangenen Epoche. Die Hommage gilt weniger dem gleichnamigen Gemälde als der Beständigkeit Turners, Segelschiffe, vorbeiziehende Regatten gleich wie Wetterlagen in den Blick zu rücken, die einerseits dem Feuer nicht standhalten können und konnten, andererseits eine Herausforderung für einen Blick darstellen, der festhalten will.
Auch in Departure of the Fleet erkundet Nita Tandon ein Bild, das Bild. In Experimenten mit unterschiedlichsten Materialien, mit Beton, Plastilin, Schrift, Feuer ist es ihr gleichwohl um eine Klasse von Objekten zu tun: In der Zusammenschau bilden ihre Arbeiten einen Raum für die immer aktuelle Frage danach, was ein Bild sei; ein Begriff im Singular, eine Frage, die immer wieder gestellt, die wiederholt wird und derart viele Antworten hervorbringt.


12 Michel Serres, Über Malerei. Vermeer – La Tour – Turner, übersetzt v. Michael Bischoff, Dresden, Basel 1995, S. 94. Serres’ Kronzeuge ist Turners The Fighting Temeraire Tugged to her Last Berth to be Broken up, 1838, London, National Gallery.
13 Ebd., S. 107.

Human Resource or Zoran and Goran

Human Resource or Zoran and Goran (Menschliche Arbeitskraft oder Zoran und Goran) ist eine performative Skulptur, die für die Ausstellung North-West by South-East entwickelt wurde. Zwei Männer, aufgelesen auf dem Arbeiterstrich von Skopje, wurden dazu angestellt, Luft in eine aufblasbare Matratze zu pumpen, wobei der eine Luft in die Matratze, der andere aber gleichzeitig aus der Matratze pumpt. So führte die anstrengende Arbeit niemals zu dem Ergebnis einer prall aufgepumpten Matratze, sondern der Befüllungsgrad blieb immer gleich. Die Betätigung der Pumpen erzeugte permanent Geräusche, die die Vergeblichkeit der Arbeit noch unterstrichen. Die beiden Arbeiter bekamen den üblichen Stundenlohn für in Wien geleistete Schwarzarbeit.

Road Roller

Das digitale, über Internet gefundene, Bild einer Straßenwalze wird manipuliert, projeziert und über Zeichnung als Vorlage in Plastilin übertragen. Der Vorgang der Übertragung ist eine Rückführung vom digitalen Bild in die Materialität. Die Farben des projezierten (Licht-) Bildes werden in der Zeichnung zu präzisen Codes umgewandelt die dann als Vorlage dienen. Das Flachrollen des Materials wird sinnnbildlich von dem Motiv übernommen. Das Bild durchwandert verschiedene Medien und verändert im Prozess der Transformation den Begriff der Zeit.